Der türkische Roman
Berna Moran (1921-1993) gilt als der Urvater der turkischen Literaturwissenschaft. Seine insgesamt dreibandige Geschichte des turkischen Romans ist in der Turkei bis heute das Referenzwerk schlechthin. Dieses auch den deutschsprachigen Lesern zuganglich zu machen, war ein Gebot der Zeit angesichts des Interesses, das turkische Literatur in Deutschland findet.Band 1 spannt einen Bogen von den grossen osmanischen Autoren des 19. Jahrhunderts (der sogenannten Tanzimatzeit) bis zu den modernen Klassikern der jungen turkischen Republik, von Samipasazade Sezai (1860-1936) bis Ahmet Hamdi Tanpinar (1901-1962). Wahrend einige Kapitel dem Gesamtwerk oder herausragenden Werken einzelner Autoren gewidmet sind, formuliert Moran in anderen Abschnitten eine Synthese, die gerade bei Lesern, die mit der turkischen Literaturlandschaft weniger vertraut sind, eine Vorstellung von thematischen Schwerpunkten und Entwicklungsbogen entstehen lasst. Insbesondere die kulturelle Konfrontation zwischen "Ost und West" ab Mitte des 19. Jahrhunderts, zwischen der literarischen Tradition des Osmanischen Reichs und den Romanen Europas, nimmt fur Moran eine Schlusselfunktion ein, will man die Entstehung des turkischen Romans begreifen. Aber auch die veranderte kulturelle Konstellation nach Grundung der Turkischen Republik 1923 und deren Widerschein in den Romanen jener Zeit gehoren zu den grundlegenden Themen von Morans Literaturgeschichte. So ist die Lekture dieses Werkes auch fur Leser ausserhalb der Turkei faszinierend und gewinnbringend zugleich.