Disputationes Iranologicae Vindobonenses: Chonologia avestica
Der gemeinsame Aspekt des vorliegenden ersten Bandes der "Disputationes Iranologicae Vindobonenses" ist die sprach- und literaturwissenschaftliche Analyse und Neubewertung der altesten erhaltenen Sprachdenkmaler indo-iranischer Uberlieferung, des Avesta und des Rigveda. Dieser Band ist als erstes Ergebnis einer Forschungskooperation zwischen dem Institut fur Iranistik der OAW, der Universitat Bologna, Italien, sowie dem Italienischen Institut fur Afrika und den Orient (IsIAO) entstanden. Die hier abgedruckten Beitrage vereinen Texte, die im Rahmen zweier reziprok angelegten Vortragsreihen in Italien und in Osterreich vorgestellt wurden. Antonio PANAINO stellt seine Ausfuhrungen unter dem Titel "Chronologia Avestica: tra cronologia linguistica e storia religiosa (Filologia e storia del testo avestico, I.)". Ausgehend von einer Reihe rezenter Periodisierungsversuche (von M. de Vaan, J. Kellens, P. O. SkjAerv, greift der Autor die Frage auf, wie sich das Altavestische (das Gathische) und das Jungavestische zueinander verhalten - insbesondere, ob es sich dabei um diatopisch oder allein diachronisch unterschiedliche Varietaten der Avesta-Sprache handelt. Dazu sind vornehmlich jene Phanomene genauer zu unterscheiden, in denen gerade das Jung-Avestische und nicht das Alt-Avestische die aus dem Indoiranischen ererbten Formen bewahrt hat und mit dem Vedischen/Altindoarischen ubereinstimmt. Neben rein philologisch-sprachwissenschaftlichen Argumenten bespricht Panaino auch kultur- und religionsgeschichtlichen Wandlungen wie die Einfuhrung des zoroastrischen Kalenders - ein Gebiet, auf dem der Autor seit Jahren arbeitet - und betont auch die Kunstlichkeit von Sprache und Stil der Gathas. Dabei hat der Verfasser in die Beurteilung des Nebeneinanders von Alt- und Jungavestisch, das viel komplexer ist als gemeinhin angenommen, neue Aspekte eingefuhrt, die von der Auffassung beider Sprachen als monolithische Blocke wegfuhren, und zeigt, daa mit verschiedenen Varietaten des Alt- und Jungavestischen zu rechnen ist. Die Studie von Velizar SADOVSKI tragt den Titel "Epitheta und Gotternamen im alteren Indo-Iranischen: Die hymnischen Namenkataloge im Veda und im Avesta (Stilistica Indo-Iranica, I.)". Sie stellt den ersten Teil einer groaangelegten Untersuchung zu den sprachlichen Gemeinsamkeiten zwischen den erhaltenen poetischen Texten des Altiranischen und des Altindischen dar, welche stilistische Charakteristika beider Schwestersprachen auf phonologischer, morphologischer, syntaktischer und phraseologischer Ebene analysiert und damit die Grundlage fur einen seit Langem ausstehenden Vergleich zwischen dem Avestischen und dem Vedischen schafft. Vollig neuartig ist der von Sadovski systematisch aufgestellte Vergleich der in den avestischen Hymnen enthaltenen Namenkataloge von Gottern und Menschen mit den altesten indoarischen Listen aus den Vedas und auch mit jungeren Katalogen dieser Art im epischen und klassischen Sanskrit.