Tiki Pop
Im Banne fremder Götzen Tiki-Pop, eine Verwilderungsfantasie des amerikanischen Mittelstandes Gegen Mitte des 20. Jahrhunderts wurden die US-Amerikaner von einer Welle der Südseebegeisterung erfasst. Das unter dem Namen "Tiki-Kultur" bekannte Phänomen erfasste schnell alle Lebensbereiche: die Mode, die Ess- und Trinkgewohnheiten, die Wohnkultur, die Pop-Musik und selbst die Architektur. Zu hawaiianischen Klängen und dem Plätschern eines künstlichen Wasserfalls in einem Tiki-Restaurant exotische Cocktails zu schlürfen galt als Inbegriff des guten Lebens und sozialverträgliche kleine Flucht vor dem Konformitätsdruck Suburbias und einer biederen Leistungsgesellschaft mit Krawattenzwang. Doch das Glück unter Palmen währte nicht sehr lange. Schon zu Zeiten der Flowerpower-Bewegung galt diese Art des Eskapismus bereits als anrüchig, und aus dem harmlosen Liebäugeln mit der Verwilderung wurde ein Kainsmal des Spießertums. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts waren fast alle Spuren dieser einst blühenden Kitschkultur getilgt und dämmerten in Trödelläden, Garagen, auf Dachböden und in verriegelten alten Tiki-Restaurants ihrem endgültigen Vergessen entgegen. Stadtarchäologen wie Sven Kirsten ist es zu verdanken, dass sie wiederentdeckt und über ein subkulturelles Tiki-Revival einem breiteren Publikum bekannt wurden. Seine beiden bei TASCHEN erschienenen Bände The Book of Tiki und Tiki Modern sind unverzichtbare Referenzwerke für Sammler wie Fans. Dieses Buch nun widmet sich dem kulturgeschichtlichen Hintergrund dieser speziellen Form der Südseebegeisterung, von den frühesten Anfängen mit der "Entdeckung" der Südseeinseln durch James Cook in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts über Herman Melvilles Südseeabenteuergeschichten wie Moby Dick und Gauguins überbordende Exotikgemälde bis hin zu den Dschungelfantasien aus der Traumfabrik Hollywood. Mit Tiki Pop, das in Zusammenhang mit einer Ausstellung im renommierten Musée du quai Branly (24.06.-28.09.2014) in Paris erscheint, schließt Sven Kirsten nun seine Forschung zur Tiki-Kultur ab und und zeichnet anhand Hunderter bisher unveröffentlichter Bilder noch einmal die Geschichte des Popkulturphänomens Tiki nach, von seinen frühesten Wurzeln bis zu seiner spektakulären Blüte und seinem schließlichen Niedergang. Der Autor: Sven Kirsten wurde auf einem Frachter der Hamburg-Chicago-Linie seines Großvaters gezeugt. Mit 25 Jahren folgte er dem Ruf der Großstadt und zog nach Kalifornien. Kirsten studierte am American Film Institut in Los Angeles und begann in den 1980er Musikvideos für The Camps, Tom Waits, Sergio Mendes und andere Künstler zu drehen. Jahrelang setze er die Puzzelteile des Polynesischen Pops wieder zusammen und gewann einen einmaligen Einblick in den Tikikult. Kirsten ist wohl der bedeutendste Tiki-Archäologe der Vereinigten Staaten.